Der erste Eindruck ist zwar der wichtigste, lässt sich aber (glücklicherweise) revidieren

Mein erster Tag in Frankreich war nicht gerade mein Glückstag. Mein Zug fuhr morgens um 6:40 Uhr los, ich hatte nur 3 Stunden geschlafen, weil natürlich die letzten Erledigungen gemacht werden mussten und noch eine kleine Abschiedsfeier stattgefunden hatte. Trotz allem war ich guter Dinge und die Fahrt im TGV verging ruck zuck. In Paris angekommen, musste ich mit der Metro erstmal an einen anderen Bahnhof fahren. Im Grunde kein Problem, Metro fahren ist wirklich kein Hexenwerk. Zumindest nicht, wenn man kein Gepäck hat. Wenn man allerdings für 4 Monate weg ist, nimmt man ja dann doch auch die ein oder anderen Klamotten mit. Ich machte mich also mit einem gefühlt 40kg schweren Koffer, einem schweren großen Rucksack und einer Umhängetasche bepackt auf den Weg in den Untergrund. Leider sind die Metroschranken nicht unbedingt für üppigere oder bepackte Menschen gemacht, sodass man sich gut vorbereiten und alles schön drapieren musste, bevor man sein Ticket in den Automaten steckte. Was das angeht bin ich wohl gar nicht so ungeschickt – es klappte einwandfrei. Das war jedoch nicht die einzige Herausforderung. Die zweite hieß: TREPPEN !  Und nicht nur ein oder zwei. Allein zur Metro waren es bestimmt schon 6 Stück. Damit allein nicht genug: Hinzu kamen all die gestressten Menschen, die ganz schnell irgendwo hin müssen und keinerlei Verständnis für ein vollbepacktes Mädchen haben, die nicht nur damit beschäftigt ist, ihr Gepäck hochzuheben, sondern auch noch damit, nicht von dessen Gewicht die Treppe hinuntergezogen zu werden. Dass mir keiner helfen wollte, störte mich nicht mal sonderlich. Doch als ich dann auch noch angerempelt, komisch oder missbilligend angeguckt wurde, bewegte sich meine Laune langsam in den Keller. Nach einer ca 15 minütigen U-Bahnfahrt fing dasselbe von vorne an. Diesmal jedoch treppaufwärts. Auch dieses Mal erntete ich genervte Blicke, bis sich kurz vor dem Ziel ein Italiener mein Leid bemerkte und mir meinen Koffer die letzten 2 Treppen hochtrug. Als ich dann endlich in meinem Zug nach Le Mans saß, konnte ich erleichtert aufatmen. Leider ein bischen zu früh. Da außer mir nur noch eine Studentin aus Hildesheim nach Le Mans gegangen ist, hatten wir uns ein wenig abgesprochen, was die Anreise anging. Meine Kommilitonin war schon einen Tag vor mir angereist, also hatte ich im gleichen Hotel wie sie ein Zimmer gebucht, sodass wir die Organisation vor Ort zusammen erledigen konnten. Unglücklicherweise hatte ich aus Zeitgründen eine Wegbeschreibung als unnötig erachtet. Ich dachte mir, das Hotel wird schon jemand kennen. Außerdem hieß es, es wäre in der Nähe des Bahnhofs. Es konnte also nicht sooo schwierig sein, es zu finden. Falsch gedacht. Erstmal klapperte ich die Gegend um den Bahnhof ab. Kein Mister Bed (so hieß das Hotel). Also ging ich in einen Buchladen im Bahnhof um nach dem Weg zu fragen. Die Dame kannte das Hotel nicht mal und verwies mich an die Information. Die Dame an der Info konnte mir auch keine Auskunft geben und schickte mich zu den Taxifahrer. Der Taxifahrer wusste, wo das Hotel war und wollte mich auch direkt hinfahren, da ich mich mit den Preisen in Frankreich jedoch nicht auskannte, verneinte ich dankend. Nachdem ich noch etliche Passanten gefragt hatte und der Verzweiflung schon sehr nahe war, ging ich zur Autovermietung und erhielt dort endlich Auskunft. Die Damen dort kannten das Hotel zwar auch nicht, aber sie waren wenigstens so nett und nutzten ihren Computer, um mir die Adresse bei Google rauszusuchen ( auf die Idee ist die Dame an der Info nebenbei bemerkt übrigens nicht gekommen). Außerdem erfuhr ich, dass ich mit der Tram, Le Mans’ ganzem Stolz, bis zur Uni fahren müsste. Selbst den Namen der Haltestelle konnten sie mir nennen. Nach einer halben Stunde Tramfahrt befand ich mich auf meinem zukünftigen Campus, doch immer noch kein Hotel in Sicht. Ich ging in eines der Universitätsgebäude und traf auf den ersten freundlichen Menschen an diesem Tag. Ich glaube, die Frau hat mir angesehen, dass ich fertig war und hieß mich erstmal herzlich willkommen. Sie musste auch erstmal auf einem Plan schauen, wo sich das Hotel befand, gab mir diesen dann aber immerhin mit. Nach 3 Stunden Herumirrens traf ich endlich im Hotel ein. Da es keinen Lift besaß musste ich zum krönenden Abschluss meinen mittlerweile gefühlt 100 kg schweren Koffer zwei Treppen hochtragen ( Hilfe der Rezeptionistin war auch nicht zu erwarten). Nach einer erfrischenden Dusche und einem Kleidungswechsel (während in Deutschland der Winter (im August!) schon auf sich aufmerksam gemacht hatte, herrschte in Le Mans strahlendster Sonnenschein, ihr dürft euch also vorstellen, wie ich dick angezogen mit schwerem Gepäck durch die pralle Sonne spaziert bin) fühlte ich mich fast wie neu. Ich traf mich mit meiner Kommilitonin und wir genossen die letzten Sonnenstrahlen auf dem Campus. Die Welt sah schon wieder viel freundlicher aus und den Eindruck, den die Franzosen auf mich gemacht hatten, sollte sich bald ändern. Allerdings noch nicht am nächsten Tag 🙁 Von der französischen Bürokratie und ihrer Mittagspause bald mehr 😀

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