Noch vor Beginn meines Auslandssemesters an der University of Cape Town (im Folgenden nur noch UCT) stimmte ich zu, regelmaessig zu bloggen- sieht man ja, was daraus geworden ist. Nichts. Nun ist mein Semester schon seit einigen Wochen beendet, heute habe ich meine Klausurergebnisse bekommen und angefangen, meine Ordner, Buecher und Mitschriften vom Semester in eine Box zu packen; man sagte mir, es waere guenstiger ein Paket nach Deutschland zu schicken, als Uebergepaeck am Flughafen zu haben… Das Semester ist also in einer Box, ich stimme mich langsam auf den Abschied ein und denke, genau jetzt ist eine gute Gelegenheit, nochmal alles Revue passieren zu lassen und euch davon zu berichten.
Wie fing eigentlich alles an?
Um Weihnachten 2008 hatte ich erstmals die Idee, ein Semester an der UCT zu verbringen, doch die buerokratischen und finanziellen Huerden schienen unueberwindbar. Also verwarf ich die Idee enttaeuscht wieder, bis mir im Februar 2009 ein guter Freund ganz stolz von seinem fast abgeklaerten Praktikum in Kapstadt berichtete. Ich dachte mir “Wenn der das kann, kann ich das auch.” und habe mit der konkreten Planung angefangen.
Schritt 1: die Bewerbung fuer die UCT zusammen stellen; war mit sehr vielen Besuchen bei diversen Dozenten verbunden, aber war im grossen und ganzen wirklich kein Hexenwerk. Bloed war nur, dass saemtliche Dokumente uebersetzt und beglaubigt sein mussten, teuer!!
Schritt 2: Bewerbung fuer ein DAAD Stipendium; ein RIESEN-Aufwand. Ich habe da wirklich viel Muehe reingesteckt und im Endeffekt hat es doch nicht geklappt. Ich vermute, weil die UCT keine Partneruni der Universitaet Hildesheim ist. Anders kann ich es mir nicht erklaeren.
Schritt 3: Antrag auf Auslandsbafoeg; noch laestiger als die DAAD-Bewerbung und auch hier am Ende ohne Erfolg.
Schritt 4: Antrag auf ein “study permit” fuer Suedafrika; ohne das geht nichts. Ich war schon mit Visumsantraegen erfahren (habe 2007 und 2008 in Suedafrika gelebt und gearbeitet), aber es war trotzdem laestig, die vielen Unterlagen zusammen zu suchen, aber wenn man alles gleich beim ersten Mal vollstaendig und komplett einreicht, ist alles easy.
Schritt 5: vor Ort Dinge mit den Dozenten in Hildesheim regeln; weil ich einige Wochen vor offiziellem Semesterschulss in Hildesheim fliegen musste, musste die eine oder andere Klausur vorschreiben werden. Ich habe ausserdem Sonderregelungen fuer Hausarbeiten bekommen. Es ist zusaetzlich ratsam, sich schon vor dem Auslandssemester mit Dozenten ueber moegliche Anrechenbarkeit abzusprechen. Angeblich kann ich meine Dinge anrechnen lassen… ich bin gespannt.
Schritt 6: sich emotional auf den Auslandsaufenthalt einstellen 😉
Orientation Week
Wegen Schneegestoeber, Chaos am Flughafen (die schlaflose Nacht am Flughafenhotel in Frankfurt und der Wettlauf mit Sicherheitsbeamten durch die geheimsten Gaenge im Abu Dhabi’er Flughafen werden mir immer in Erinnerung bleiben) und allen moeglichen anderen bloeden Zufaellen kam ich anstatt den von vorn herein geplanten und mit der UCT abgesprochenen 2 Tagen gleich 3 Tage zu spaet. Ich landete, ich glaube, gegen 8 Uhr morgens in Kapstadt, mein Mitbewohner holte mich ab. Um 10 Uhr begann das Pflichtprogramm der O-Woche, die Zeit reichte gerade fuer eine Dusche und so fand ich mich, nach fast 2 Tagen ohne Schlaf auf einmal vor den bekannten “Jammie Stairs” am Upper Campus der UCT wieder. Irgendwann hatte ich dann auch meinen Raum gefunden und setzte mich zwischen hunderte lustig schnackende Amis (ca. 90% aller Austauschstudenten der UCT kommen aus Amerika). Alle kannten sich schon und ich kannte niemanden. Um 14 Uhr sollten ALLE (selbst die Amis) einen 3 stuendigen Englisch Literacy Test machen und ja… ich hab ihn gut hinter mich gebracht, hab alleine nach Hause gefunden und bin tot ins Bett gefallen.
Die naechsten Tage war ich hauptsaechlich damit beschaefigt, von einem Office zum anderen zu laufen und Unterschriften und Zettel zu sammeln. Zuerst muss man sich als internationaler Student pre-registrieren lassen (ca. 1 1/2h Schlange stehen), dann musste man sich normal registrieren (ca. 2h Schlange stehen), wenn man allerdings, so wie ich, eine Aenderung an den Kursen, die man belegen moechte, vornehmen will, muss man bei zwei weiteren Offices sich erst Unterschriften holen und sich anschliessend nochmal in die 2h Schlange stellen. Wenn man dann endlich registriert und fuer Kurse eingetragen ist, kann man sich einen Studentenausweis holen, da stand ich dann nochmal ca. 3h an. Nach zwei Tagen war ich registriert, hatte Kurse und einen Studentenausweis- Leute kannte ich allerdings trotzdem noch nicht wirklich… Ausser einem sehr anonymen “Freshers’ Braai”, einer grossen Grillaktion mit ALLEN Erstis und Austauschstudenten, gab es keine Abend oder Freizeit und Kennenlern Aktivitaeten. Die Stadttour und den Trommel Workshop hatte ich in den ersten Tagen verpasst. Ich hoffte also darauf, in den Vorlesungen nette Leute kennen zu lernen.
Die UCT
Zwischen der Uni in Hildesheim und der UCT liegen WELTEN!! Die UCT ist unglaublich gross, im letzten Semester waren dort etwa 30 000 Studenten- ca. 800 Austauschstudenten. Der Campus ist eine Stadt fuer sich, unterteilt in Upper Campus (wo ich alle Veranstaltungen hatte), Middle Campus, Lower Campus, Medical School und dem Higgingh Campus. Zwischen den einzelnen Campussen (ein Campus, zwei Campusse? Campen? Campi?) faehrt ein Shuttle Service; der faehrt uebrigens auch zu den einzelnen Studentenwohnheime, die allerdings grundsaetzlich keine Austauschstudenten aufnehmen, und zu den Stadtteilen in der Naehe. Lower, Middle und Upper Campus sind durch genau eine Sache gekennzeichnet: Treppen, Treppen und wieder Treppen!! Die UCT liegt sueper schoen direkt am Fusse des Tafelberges, man hat den besten Blick ueber die ganze Stadt- aber leider muss man eben auch staendig irgendwo irgendwelche Treppen hochlaufen (und es sind viele!!!).
Ich war an meinem ersten Tag in der Owoche schon erstaunt, wie viele Studenten es an der Uni gibt. Noch erstaunter war ich an meinem ersten regulaeren Tag mit Vorlesungen. Die Studenten schieben sich in den 15min Pause zwischen Veranstaltungen durch die Gassen. Mittlerweile bin ich geuebt darin, auch mal zu ueberholen (in Afrika hat man Zeit…) und kenne Schleichwege, vorbei an dem einen oder anderen “Stau”. Um 13 Uhr ist eine Stunde Mittagspause fuer alle und wenn man etwas zu essen abbekommen moechte, dann beeilt man sich lieber. Es gibt keine Mensa, dafuer ueberall auf dem Campus verteilt (und ich kann hier nur fuer den Upper Campus sprechen) kleine Essenstaende und Restaurants. Es gibt einen Afrikaner, eine Inderin hat eine mobile Kueche, einen Chinesen, einen Sandwich Mann, einen Wrap Mann, eine Bude, wo es Pommes, Wurst und so gibt, es gibt sogar Falafel und hier und dort die Moeglichkeit Kaffee und super guenstig super leckere Muffins zu kaufen. Es wird also nicht langweilig, ich hab wirklich geschlemmt zum Lunch!! Mit seinem Essen setzt man sich dann in die Sonne auf eine der vielen Treppen. Jeden Donnerstag gibt es vor den Hauptreppen (Jammie Stairs) irgendeine von RAG (das ist so eine Studenten Initiative) organisierte Art der Belustigung. Tausend Studenten quetschen sich auf die Treppen, man kommt dann auch wirklich GAR NICHT MEHR irgendwo durch, und gucken zu: einmal haben die Dirty Skirts (eine sehr bekannte, lokale Indie Band) gespielt, es gab Moden Shows, Song und Dance Contests, eine “RAG-Olympiade”, Poetry Slams, Gewinnspiele und und und.
Man kann also sagen, an der UCT herrscht viel mehr ‘Flair’ als in Hildesheim und alles ist so vielfaltig und interkulturell. Klar- Suedafrika, Rainbow Nation und so… Man hoert ueberall verschiedene Sprachen und sieht verschiedenste Menschen. Man ist unglaublich stolz darauf, dort studieren zu koennen und der Studentenausweis wird wie ein VIP Ausweis vor der Brust getragen. Es gibt ganze ‘UCT-Fan-Shops’, wo es Pullover, Tshirts, Maeppchen, Postkarten, Dosenoeffner, Kuehlschrankmagneten, Taschen und noch mehr zu kaufen gibt. Ueberall steht natuerlich UCT drauf- ich selbst besitze mittlerweile einen Pulli und ein Mouse Pad mit UCT Schriftzug, Foto und dem schlauen Spruch von Gandhi “Live as if you were to die tomorrow. Learn as if you were to live forever”. …….. to be continued.
Die UCT ist super ausgestattet, Probleme einen Sitzplatz in der Vorlesung zu bekommen, hatte ich nicht ein einziges Mal. Jedes Department hat mindestens 3 eigene schoene und technisch perfekt ausgestattete Hoersaehle, Seminarraeume gibt es nicht zu knapp und es gibt sogar Haufenweise Raeume fuer Lerngruppen. Jedes Department hat seinen eigenen Computerraum und wenn man nicht gerade zu Stosszeiten (1 Uhr Lunchbreak….) kommt, bekommt man auch schnell einen Computer ab. Drucken kostet (oh du Fortschritt der Uni Hildesheim!!), man hat im Monat ein 500MB data bundle fuer das Uni Internet (reicht). Die Bibliothek ist okay, trotzdem habe ich fuer saemtliche schriftlichen Arbeiten eher auf online Datenbanken (Jstor, yay!!) zurueckgegriffen, man darf auch nur 5 Buecher maximal eine Woche ausleihen.
Das Studiensystem ist komplett anders. Einmal unterteilt sich das Semester in first und second term. Man hat maximal 6 Kurse (Austauschstudenten ist es sowieso nicht erlaubt, mehr als 4 zu machen- ich hatte 3), die sich in der Regel in Module 1 (first term) und Module 2 (second term) unterteilen, oft gibt es noch zusaetzliche Pflichtutorien. Am Ende eines jeden Terms schreibt man einen Test, am Ende des Semesters zusaetzlich ein final exam. Je nach Kurs muss man verschiedene Leistungen waehrend des Semesters erbringen, darauf gehe ich spaeter ein. Man hat seine Faecher, im Gegensatz zu Deutschland, jeden Tag. Studiert wird, wenn man nicht gerade Sprachkurse belegt, auf Englisch.
… und ich an der UCT?
Ich hatte, wie schon erwaehnt, 3 Faecher: Introduction to the Social Service Profession and Political Economy in South Africa (SWK); State Management and Administration (POL); Organisational Wellness, Health and Safety and Organisational Learning (BUS). Ich habe oben erwaehnt, dass man seine Faecher quasi jeden Tag hat. Mein Studenplan sah so aus:
SWK: Di-Fr 12-13 Uhr
POL: Mo-Mi (manchmal Do) 15-16 Uhr, Tutorium Donnerstags 16-17 Uhr
BUS: Mo-Mi (manchmal Do, hat sich dann mit dem Tut ueberschnitten…) 16-17 Uhr, Tutorium Montags 13-14.30 (kein Lunch am Montag)
Das mag sich wenig anhoeren… Ist es aber nicht. Man muss damit rechnen, dass man fuer jedes Fach fuer jeden Tag readings zu erledigen hat. Einen geringen Teil davon hab ich nach 17 Uhr gemacht, einen groesseren Teil vor 12 Uhr… und viel hab ich auch einfach gar nicht gelesen, weil keine Zeit und Nerven. Zusaetzlich zu den Readings, hat man fast jede Woche schriftliche Arbeiten von verschiedener Laenge (variiert je nach Fach und Dozent zwischen 4 und 15 Seiten) abzugeben und etwa alle zwei Wochen schreibt man kleinere Tests, zusaetzlich zu den Tests am Ende des Terms/final exam.
Ich habe, in meinen ganzen 3 Semestern, die ich in Hildesheim studiert habe, NIE soviel gelernt, geschrieben und gelesen wie in dem einen Semester an der UCT. Von dem “entspannten Party Auslandssemester” hab ich hier nicht viel mitbekommen. Es herrscht ein unglaublicher Druck, jedes Prozent (achja, man bekommt hier keine Noten sondern Prozent. Unter 50% ist durchgefallen, mehr als 80 ist auch fuer Einheimische fast ein Wunder) zaehlt in die Endnote mit ein.
Es gab Momente, in denen ich das Gefuehl hatte, ich kann nicht mehr. Ich wollte die Reader um mich schmeissen, hab die staendigen essays und assignments verflucht und die Tests gehasst. Es war demotivierend, gerade am Anfang. Die Umstellung ist nicht zu unterschaetzen. Ich habe wie bereits erwaehnt schon eine Weile im Englischsprachigen Ausland gelebt und die eine oder andere Englische Veranstaltung in Hildesheim belegt. Und trotzdem… gerade in den ersten Wochen habe ich NICHTS aus den Vorlesungen mitgenommen, habe NICHTS verstanden, wenn ich Texte gelesen hab und unter meinen essays stand “no academic language”. Meine Tests (die uebrigens keine Multiple Choice Tests, sondern Essay-Fragen Tests waren) waren nie besser als 56% und ich war beim besten Willen nicht faul.
Aber gerade im zweiten Term habe ich dann so langsam gelernt, wie ich mich am Besten auf Tests vorbereite, wie ich innerhalb von 3 Tagen einen essay auf Papier zaubere und wie ich meine Tutorien vorzubereiten habe. Heute habe ich wie gesagt meine Endergebnisse bekommen (BUS 56%, POL: 66%, SWK: 78%) und ich denke, ich habe das gut gemacht. Ich bin stolz, dass ich durchgehalten habe, ich bin stolz, dass ich jeden einzelnen Essay abgegeben habe, bei jedem Tut war, meine Reader trotz allem Stress fast ganz durchgelesen hab, kaum Vorlesungen geschwaenzt habe, stolz darauf, dass meine Arbeiten teilweise besser waren, als die der Englisch Muttersprachler und derjenigen, die seit 3 Jahren im UCT System drinne sind. Ich habe unglaublich viel gelernt… Ich habe gelernt, alleine in einem neuen System klarzukommen, meine Englischkenntnisse, vor allem die akademischen, haben sich verbessert, ich habe gelernt, mir meine Zeit besser einzuteilen, ich habe gelernt, “zu powern”, Hausarbeiten schnell zu schreiben, schnell und aufmerksam zu lesen, das wichtigste aus Vorlesungen mitzunehmen. Allgemein und kurz gesagt, ich glaube, die UCT hat mir erst richtig gezeigt, wie man am besten und effektievsten studiert, wie man sein Hirn richtig benuzt. In meinem Studium in Deutschland hat mir oft die Herausforderung gefehlt, es hat mir gefehlt, mein Hirn wirklich zu gebrauchen, ich sass in Veranstaltungen und habe nicht zugehoert, irgendwie ein Referat am Tag vorher zusammen gebastelt, die Klausur irgendwie mit ein paar Tage vorher lernen geschrieben, ebenso wie die Hausarbeiten. Hier muss man STAENDIG irgendetwas machen und ist staendig gezwungen zu lernen. Es war schwer, sich daran zu gewoehnen und umzustellen, aber ich habe es hinbekommen und finde es unglaublich schade, dass ich nicht die Moeglichkeit habe, ein zweites Semester hier zu verbringen. Mittlerweile bin ich fast ein Fan des suedafrikanischem Studiensystem, oder besser, dem der UCT (beste Uni des Kontinents und so…).
Am Mittwoch heisst es Abschied nehmen. Ich habe, trotz anfaenglicher Schwierigkeiten, doch wirklich ein paar nette Leute kennen gelernt, sehr international. Eine Freundin kommt aus Simbabwe, eine aus Durban, mein bester Freund kommt aus Namibia; und sie fehlen mir jetzt schon. Ich gehe seit Anfang Juli nicht mehr zur Uni und auch der Unialltag fehlt mir sehr. Ich werde ganz emotional, wenn ich daran denke, dass das Kapitel “Auslandssemester an der UCT” jetzt abgeschlossen ist und bin trotzdem froh, dass ich den Schritt gewagt habe und denke, dass es mich unglaublich weiter gebracht hat. Ich habe ein bisschen Angst davor, wieder in Deutschland zu studieren und hoffe, dass die Umstellung mir nicht schwer faellt. Ich werde jetzt noch zwei Monate ein Praktikum machen, ein wenig rumreisen und meine Zeit hier geniessen und dann Mitte Oktober, puenktlich zum Semesterbeginn, wieder in Hildesheim sein. Und ja doch…. ich freue mich doch auch wieder drauf!