Gefallen muss man als ausländische Studentin, wie ich eine bin, so manche einfordern:
– “Kommst du bitte mit mir zur Bank? Ich muss eine Überweisung machen und weiß nicht wie!”
– “Hast du heute schon etwas vor? Vielleicht könnten wir Russisch üben?”
– “Was waren nochmal die Hausaufgaben in Stilistik für Morgen?!”
– “Ich muss mein Handy Guthaben aufladen, wie mache ich das? Hilfst du mir bitte?”
– “Achja …. wir haben immer noch keinen Kühlschrank, wo kann ich einen kaufen?”
So könnte ich die Liste endlos weiterführen. Allerdings ist nicht dies das Phänomen, welches ich hier beschreiben möchte (nun sind es knapp 2 Monate die ich hier bin und ich schaffe es gerade gut genug alleine einkaufen zu gehen)! Gehen wir ca. eine Woche zurück. Das scheinbar längst verschollene Paket aus Deutschland ist endlich in Weliki Novgorod angekommen und ich erhielt eine Benachrichtigung: Bitte bei der Post abholen. Aber wohin um es abzuholen? Was am Schalter sagen? Wen ansprechen? Was ausfüllen? Wer…? Wie…? Warum …? Okay, okay – erstmal der Reihe nach und meinen guten Freund und Russen Nikolay nach dem Ort fragen! Zufälligerweise muss der Amerikaner Kyle, mein Nachbar im Wohnheim, ebenfalls ein Paket abholen. So könnte ein guter Witz anfangen:” Ein Deutscher, ein Amerikaner und ein Russe gehen zur Post in Russland..!” Wie auch immer, schließlich bot Nick an sich mit uns bei der Post zu treffen. Und wir holten das Paket ab…
Hier folgen ein paar rein hypothetische Annahmen, zum Ablauf des ganzen Unternehmens:
Es gibt einen Treffpunkt. Es gibt eine vereinbarte Zeit. – Nun könnte es aber sein, das Dank Google Maps allerdings eine komplett falsche Adresse gefunden wurde. Der Zufall würde dem Pech dann noch direkt in die Hände spielen, wenn der Russe nur flüchtig einen Blick auf den gesendeten Screenshot geworfen hat und damit die Deutsche und den Amerikaner in eine falsche Richtung schickt. Nach einem 50 minütigen Marsch würden dann beide feststellen in einem Industriegebiet gelandet zu sein – es duftet zwar köstlich nach Kaugummi, dank einer Fabrik in der Nähe, aber von einer Post keine Spur. Nun könnte es auch sein das sich beide weder mit dem Bussystem in der Stadt auskennen, noch ein Taxi rufen können … deshalb müssten die beiden Ausländer den ganzen Weg zurücklaufen. Während sich der Russe (der natürlich ohnehin schon 10 Minuten nach vereinbarter Zeit angekommen ist) dann vor dem Postgebäude im kalten wundert, das immer noch keiner da ist, würden die zwei Fremden ihm eine Nachricht schicken, woraufhin sie den Standort des Russen erhalten würden und dazu den nun für den Moment überflüssigen Hinweis: “Do not EVER use google maps! Use 2GIS (Russische APP)!” Auf dem Fußmarsch zurück würden sich sicherlich beide über die undurchschaubaren Busverbindungen aufregen, aber dann schließlich feststellen das ein 1 1/2 stündiger Spaziergang sicher nicht das schlimmste im Leben sei – immerhin hat das vertraute “Google Maps” sein bestes gegeben!
In der Poststelle ganz aus der Puste und aufgeregt angekommen würden sich alle freuen das nur 2 Leute in der Schlange anstehen. Nach einer kurzen Bemerkung des Russen: “Wir sind hier nicht in Deutschland!”, gibt es dann sogar noch eine ziemlich hohe Chance, das diese 2 Leute 30 Minuten Zeit in Anspruch nehmen, während sich die Schlange bis vor die Eingangstür verlängert. Nach einem kurzen Wortwechsel auf Russisch und dem erhalten der Pakete, könnten die zwei Fremden feststellen das sie das ganz sicher auch alleine geschafft hätten, scheinen aber froh ihren Freund bei sich zu wissen. Die Entscheidung zu fällen gemeinsam Sushi zu bestellen und ins Wohnheim zu gehen, wäre sicher eine nette. Denn natürlich sollte man seine Freunde hin und wieder zum essen einladen! Auf dem Weg zum Wohnheim würde der Russe wahrscheinlich mit ein paar Freunden telefonieren und schließlich feststellen, dass er später auf einen Geburtstag eingeladen ist (um 20 Uhr). Im Wohnheim angekommen könnten sich dank eines breiten Freundeskreises immer und immer mehr Russen und andere Wohnheimbewohner im Zimmer des Amerikaners zusammenfinden, bis dies schließlich zu einer Wein und Twister-Party ausarten würde. Der Amerikaner würde sich nur noch wundern können woher auf einmal die 3 Mädchen kommen, die sich auf seinem Bett niedergelassen haben und miteinander quatschen, während auf dem Fußboden die andere Hälft der Leute übereinander purzelt oder zu dem Rhythmus der Musik Лада Седан grooved. Die Deutsche hingegen würde sich über die Lautstärke und die Unordnung im Stillen aufregen und immer wieder versuchen unbemerkt Müll aus dem Weg zu räumen. Schließlich um 20:45 Uhr stellt der gute Freund und Russe, mit dem das alles begonnen hat, fest das er bereits zu spät zum Geburtstag ist und sich schnell auf den Weg machen sollte – um 21:15 Uhr verlässt er dann das Wohnheim. Auch das Zimmer des Amerikaners würde spätestens dann wieder leer sein, da sich alle auf den Weg nach draußen gemacht haben um zu rauchen und sich dann zu einem anderen Zimmer zu begeben. Der Amerikaner und die Deutsche würden im leeren Zimmer stehen, mit demselben Gedanken: “Was ist gerade passiert?”
Ich hoffe ich habe mit der Geschichte nicht allzu sehr gelangweilt und es war wenigstens annähernd unterhaltsam!
Freut euch auf den Eintrag über St. Petersburg!
Liebe Grüße und bis bald,
Eure Nina