Archive for September, 2015

Ein ganz normaler Tag in Russland

Wednesday, September 23rd, 2015

Um 7 Uhr früh: Маршрутка von Иова dröhnt aus meinem Handywecker hervor und ich mache die Augen nach nicht mal fünf Stunden Schlaf auf. Genervt schalte ich den Wecker aus und setze mich auf. “Knaaaaaartsch” macht es da, als sich die große Лента-Luftmatratze unter mir bewegt. Ich seufze und denke mal wieder an meine schöne Matratze in Deutschland. Kaum aus dem Bett gestiegen höre ich wieder fremde Stimmen um mich herum – Polnisch von links und Englisch von rechts. Ein weiterer Handywecker beginnt über meinem Kopf im zweiten Stock zu vibrieren! – Das Studentenwohnheim scheint wach zu sein.

Kurzer Hand klettere ich auf meinen Schreibtisch um die Tagesdecke vom Fenster zu ziehen und das Sonnenlicht hereinzulassen … kein Sonnenschein … Regen. Naja, so schlimm ist es ja auch nicht! Immerhin habe ich erst vor ein paar Tagen einen Regenschirm gekauft – ich werde es überleben, denke ich mir. Mit einem Satz wieder vom Tisch runter, Wasser in der Gemeinschaftsküche aufgekocht, ein kleines Frühstück zubereitet und schließlich gemütlich am Schreibtisch mampfend aus dem Fenster sehend. “Immer noch kein Kühlschrank?”, höre ich dann die Stimme meiner Mutter in meinem Kopf. Ich seufze erneut und sage mir selbst: nächsten Monat, keine Sorge! Nächsten Monat! Schnell noch in die Klamotten gehüpft und die Tasche für den Tag gepackt. Ein Morgen wie jeder andere auch!

Raus auf dem Flur und am Wachposten vorbei. Ich grüße ihn wie immer mit “Здравствуйте!” in der Hoffnung einen Gegengruß zu bekommen, aber er hebt nur Stirnrunzelnd den Kopf. Auch auf dem Weg zur Uni grüßt keiner auf dem einsamen Weg und die Blicke kreuzen sich nicht.  Ich tapse auf dem Fußgängerweg umständlich hin und her um den großen Pfützen auszuweichen, die sich an allen Stellen sammeln. Wer hätte gedacht das man auch ohne Gullis im Leben gut auskommt?! Dennoch sind meine Schritte schneller als in Deutschland geworden: Jeden Tag 40 Minuten oder mehr laufen, hin und zurück. Wenn ich erst wieder in Deutschland bin, wird sich sicher niemand mehr über meine Langsamkeit beschweren können :)! Es gibt einen Bus auf der Stecke, doch darauf warten lohnt sich nicht – die Haltestelle hat weder einen Fahrplanaushang, noch ist diese auf der Website auffindbar. Es könnte ewig dauern bis der nächste kommt. Doch kaum das ich die Bushaltestelle um 200 Meter passiert habe höre ich das rattern des Busses hinter mir und er überholt mich knatternd. Wuuuuunderbar … ein Morgen wie jeder andere auch!

An der Universität trotz Regenschirm pitschnass angekommen geht’s auch schon direkt zum Unterricht und zu meiner Gruppe. Die Gruppe in der Universität kann man mit einer Klasse vergleichen. Man hat gemeinsam Unterricht und wechselt zusammen die Räume. Allerdings sind meine Russisch-Kenntnisse noch nicht soweit ausgereift, dass ich an allen Kursen teilnehmen kann. Meine Gruppe besteht nur aus Mädchen, ca. 15 und die meisten sind jünger als ich, da die Hochschulreife in Russland mit 17 Jahren erreicht wird. Ich habe sie alle schon sehr lieb gewonnen. Sie nehme Rücksicht auf mich, sprechen nur langsam auf Russisch oder reden Deutsch mit mir. Ihr Deutsch ist sehr gut. Oft schäme ich mich dafür die Sprache noch nicht zu beherrschen, aber sie machen es mir leicht mich dennoch wohlzufühlen.

Zur Zeit belege den Unterricht der Übersetzung (Russisch-Deutsch/ Deutsch-Russisch), der Geschichte der Deutschen Sprache (auf Deutsch) und der Stilistik (auf Deutsch und Russisch). An zwei Tagen nach der Uni wartet Анна auf mich um mit mir mehr Russisch zu üben. Sie ist ein Mädchen aus meiner Gruppe und eine meiner liebsten Leute hier. Sie ist immer für mich da und tut ihr Bestes um mir zu helfen! Sie ist die Beste :).

Nachdem alle Pflichten für den Tag getan sind geht’s ab “nach Hause” zurück in das Studentenwohnheim. “Vielleicht sollte ich noch einkaufen gehen? – JA! Das sollte ich.” Also ab in den Laden, meistens Магнит oder Осень, denn es liegt auf dem Weg. Kyle und Brandon, meine beiden amerikanischen Nachbarn im Studentenwohnheim, brauchen vielleicht auch noch etwas- also kurzer Hand eine Nachricht an sie verschickt. Сушка… Кефир.. mhh alles leckeres Zeug. Ich nehme mir Fitness Flakes von Nestle und Milch… Zusätzlich eine riesige Flasche Wasser (5 Liter), denn Leitungswasser ist hier ungenießbar. An der Kasse fragen sie wie immer: “Möchten sie eine Tüte? Haben Sie eine Karte? Haben Sie Kleingeld bitte?”

Gerade raus aus dem Laden und das Handy vibriert. Brandon.

“Hey Nina! We just got invited to a birthday-party by Gio at 8. We will meet him at Лента by 7:30. Also bring chocolate please :). Meet you in front of Лента!”

“Okay, wird gemacht!”… wieder ab in den Laden. “Momentmal! … Ich glaube er hat nicht mal gefragt ob ich überhaupt Lust auf diese Party habe?! Immerhin ist es Montag! Morgen ist Uni! … Nunja … was solls…” Eigentlich freue ich mich darüber, denn ausgehen bedeutet Russisch üben, aber auch Englisch zu sprechen. Ich wechsle zwischen drei Sprachen hin und her, im Minutentakt. Langsam gewöhne ich mich auch daran.

Und noch einmal: “Möchten sie eine Tüte? Haben Sie eine Karte? Haben Sie Kleingeld bitte?” … seufzend krame ich erneut nach meinem Portemonnaie und verlasse den Laden ein zweites Mal, die Tüte und das schwere Wasser in den Händen. Der Regenschirm ist umständlich zwischen Schulter und Nacken geklemmt, denn es gießt immer noch wie aus Bächen. Halbwegs trocken muss ich nun nur noch eine Straße überqueren um schon bald beim Wohnheim anzukommen. An der Ampel warte ich auf grünes Licht. FLATSCH. – Wasser spritzt mir von der Seite von Kopf bis Fuß entgegen als ein Auto vorbeirast. Viel zu spät fällt mir wieder ein das es hier keine Abflüsse auf den Straße gibt (oder wenigstens nur sehr vereinzelt). Wie ein begossener Pudel stehe ich in der unbequeme Pose mit dem Regenschirm da und finde mich mit meinem Schicksal ab. Der Versuch den rechten Arm zu heben und mir den Dreck aus dem Gesicht zu reiben schlägt fehl, als ich zurück springe, da es schon die nächsten Autos auf mich abgesehen haben.

Kaum im Studentenwohnheim angekommen fällt mir ein weiterer Denkfehler auf … “Verdammt! Kein Kühlschrank! Dann muss die Milch halt schnell leer gemacht werden.” Ich schlurfe an dem Wachmann vorbei, diesmal ohne den Versuch eines Grußes. Endlich etwas essen und dann ab unter die Dusche. Natürlich auch noch Wäsche machen und die Hausaufgaben nicht vergessen …

Die Russische Hausparty darf auch nicht außer Acht gelassen werden, aber ich denke für diesen Blogeintrag ist es erst einmal genug! Ich werde ein anderes Mal über Ereignisse wie diese berichten. Es sei nur gesagt: Um ca. 2 Uhr falle ich ins Bett und schaue auf meinen Wecker. Großartig, wieder nur ein paar Stunden Schlaf bis mein Handy mich weckt! – Ein Tag wie jeder andere auch! 

Es klinkt komisch aber ich habe mich an das Land und die Leute gewöhnt. Es hört sich sicher nicht so an, dennoch habe ich Nowgorod lieb gewonnen. Alle diese kleinen Dinge die sich so viel sehr von Deutschland unterscheiden, ich mag sie! Es bringt mich dazu über mich und mein Leben in der Heimat nachzudenken und zu hinterfragen. Egal wie oft ich auch im Regen stehe, es gibt immer einen positiven Blickwinkel, oder einen Ausweg!

In diesem Sinne, bis bald Deutschland! 🙂 Es ist an der Zeit mein Leben in Russland zu leben.

Nina

Regen

Привет Россия!! – Das Abenteuer beginnt.

Sunday, September 20th, 2015

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Die Abreise steht kurz bevor – das Bauchkribbeln nimmt zu – seit einer Woche verabschiedet man sich von Bekannten die man zufällig auf der Straße trifft – bei dem Gedanken an das fremde Land und die komplizierte Sprache bekommt man einen Kloß im Hals. Das ist leider (oder auch nicht) bei mir alles schon in weit entfernter Vergangenheit. Mittlerweile befinde ich mich seit ca. 1 Monat bereits in Weiliki Nowgorod, Russland, die Stadt in der alles begann, so sagt man.  Meine Ankunft am 21. August 2015 lief glatt und der Kulturshock hat mich bisher noch nicht allzu hard erwischt. Die eine Stunde Zeit-Differenz ist auch ein Klacks! Ich wurde mit offenen Armen empfangen und in der Gruppe in der ich studiere unterstützen mich die Mädchen mit vereinten Kräften in meinem Bestreben die Russische Sprache besser zu beherrschen. Auch die Dozenten hier tuen ihr Bestes, trotz eines engen Zeitplanes, für meine Probleme und Sorgen immer ein offenes Ohr zu haben.

Ich kann mit Stolz von mir behaupten Pilotin des Doppel-Bachelor Programmes der Partneruniversitäten Hildesheim und Nowgorod zu sein! Dieses Programm wurde für IIM und IKÜ Studierende von Frau Prof. Dr. Kreß ins Leben gerufen und tatkräftig von Ioulia Grigorieva in der Vorbereitungsphase unterstützt. Der Schwerpunkt des Studienganges liegt dabei auf der Sprach- und Kulturwissenschaft. Dank dieser Prüfungsordnung ist es mir möglich für 2 Semester im Ausland zu bleiben und so die Kultur, das Land und die Sprache intensiv kennenzulernen. Hiermit spreche ich nochmal meinen herzlichsten Dank an Frau Prof. Dr. Kreß und Frau Grigorieva aus, dass ich die Chance habe an diesem großartigen Projekt teilzunehmen! Danke für die tolle Unterstützung.

Zurück zu Weliki Nowgorod: Es ist bereits viel zu viel passiert, als das ich alles auf einmal erfassen könnte. Die Zeit geht schnell vorbei und jeden Tag ist genug zu tun. Noch sind die Stunden die ich an der Universität Nowgorod verbringe nicht annähernd so viele wie in Deutschland, allerdings liegt der Grund darin, das trotz der einjährigen Vorbereitungsphase durch die VHS in Hildesheim, meine Sprachkenntnisse nicht gut ausgereift sind. Alles in allem liegt hierin das größte Problem. Viele Russen sprechen kein Englisch oder nur sehr schlecht – aber dann muss es halt auch mal mit Händen und Füßen funktionieren! Irgendwo gibt es immer eine Lösung, wenn auch über Umwege. Dennoch ist es kein Hindernis zu russischen “Hauspartys” zu gehen, ins Kino oder Kleider shoppen. Eins habe ich bereits gelernt: Auch wenn man die Sprache nicht gut beherrscht, so begegnen einem die Menschen hier dennoch freundlich und versuchen zu helfen, wo es geht. Viele sind sehr interessiert und wollen mehr über andere Länder erfahren und hinterfragen ebenfalls das Bild der russischen Kultur, welches beispielsweise Momentan durch die Medien in Deutschland verbreitet wird/wurde.

Oberste Priorität hat aus diesem Grund natürlich die Sprache. Ich kenne bereits viele Studierende hier, sowohl Russische als auch andere Austauschstudierende. Aber es fällt einfacher diese Kontakte mit Hilfe der russischen Sprache zu knüpfen.

Notiz an mich selbst: Weitere Priorität hat ein Kühlschrank und eine ordentlich Matratze! – Das Studentenwohnheim hier ist wirklich gut: ein  eigenes Zimmer, eine eigene Dusche und eine kleine Gemeinschaftsküche. Dennoch .. kein Kühlschrank ist ein Problem! Momentan kann ich mich noch mit Nudeln, Reis und anderen Lebensmitteln die nicht notwendigerweise gekühlt werden müssen, über Wasser halten. Aber spätestens nächsten Monat wird ein Kühlschrank besorgt, den ich mir mit meinen Amerikanischen Leidensgenossen teilen kann! Wünscht mir Glück! Wir schrieben uns bald wieder.

Liebe Grüße aus dem schönen Weliki Nowgorod!

Ps. Dies wird nur einer von vielen Blog-Einträgen sein. Ich hoffe ich kann noch viele Eindrücke mehr einfangen und diese angemessen vermitteln. (auf den Punkt zu kommen, ist eine meiner größten Schwächen 😉 ).

Bologna – Erste Eindrücke

Thursday, September 3rd, 2015
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https://youtu.be/xREl_68O-mw

 

Bologna kennen die meisten meiner Altersgenossen nur durch den Wanda-Song und die europäische Studienreform, die dort beschlossen wurde… und gehörig daneben ging. Da kann Bologna natürlich nichts für.

Die Università di Bologna ist eine ältesten Universitäten der Welt, etwa 100.000 BewohnerInnen dieser Stadt sind Studierende. Man nennt Bologna auch la Dotta (die Gelehrte), la Rossa (die Rote, wegen der roten Dächer und der linken Regierung) und la Grassa (die Fette, wegen der nicht ganz so gesunden Cuisine). Außerdem ist Bologna UNESCO-Musikstadt, was mir als Konzrtkritikerin aus einer anderen UNESCO-Musikstadt natürlich gut gefällt.

Ich bin seit ein paar Tagen in Bologna und habe festgestellt:

  1. Die historische Innenstadt ist trotz vieler Baustellen wunderschön.
  2.  Wenn man zu weit außerhalb wohnt, ist man gearscht! Das Leben spielt sich im Zentrum ab, wo die Mieten allerdings irrwitzig hoch sind. Doppia (geteiltes Zimmer) ca. 250 – 350€, Singola (Einzelzimmer) ca. 400 – 500€.
  3. Erasmus ist das Mallorca unter den Austauschprogrammen: Neonfarbene Plastiksonnenbrillen; hässliche Jack & Jones-Shirts; verwöhnte rich kids, die Drogenkonsum für etwas Besonderes und Verrücktes halten; Techno-Mukke und natürlich saufen, saufen, saufen.
  4. Es gibt eine alternative Szene fernab von Erasmus-Ballermann-Gehabe, aber die muss man suchen. Bad Religion zum Beispiel sind mir persönlich zu sehr Popmusik. Machine Head, Ministri und Jedi Mind Tricks kann man sich schon eher geben. Alle spielen im Oktober im Estragon.
  5.  Die seltsamste Party in Bologna heißt Decadence – und der Name ist Programm.
  6. Essen ist teurer als in Deutschland, dafür aber sehr gut. Zug- und Busfahrten sind chaotischer, dafür viel billiger als in Deutschland. Für weniger als 10 Euro kommt man von Bologna aus ans Meer.
  7. Im Sommer (dazu zählt auch September, da es hier 25 – 30 °C sind) darf man sich über hamstergroße Mückenstiche freuen, die einem laaange erhalten bleiben.
  8. Frau wird offensichtlich und unverschämt angeglotz, angebaggert, angequatscht… denn auch bierbäuchige Mopedmachos haben hier viel Selbstbewusstsein oder tun zumindest so.
  9. Das Klischee stimmt: Extra Regale im Supermarkt, nur für Pasta und Soßen.

 

 

Der Original-Eintrag erschien am 3. September 2015 auf CyberpunkJournalism, dem Blog von Mirjam Kay Kruecken.